Unser Fokus lag heute auf das Sein und Schein in der Вулиця Ольги Кобилянської / Olha Kobljanska Straße (ehem. Herrengasse), der zentralen Fußgängerzone und Flaniermeile von Czernowitz. Hinter der dominanten touristischen Nutzung versteckt sich eine kleine Bewohner*innenwelt: direkt in den Hinterhöfen findet sich hauptsächlich Wohnnutzung; fußläufig erschlossen werden die Wohnungen direkt von der prestigeträchtigsten Straße Czernowitz’. Gerade diese unerwartete Widersprüchlichkeit von alltäglicher Bewohner*innenrealität und touristischer Nutzung hat uns in ihren Bann gezogen. Wo immer es diese Durchbrüche gibt, dokumentieren wir sowohl Fassade, den äußeren Schein, als auch die dahinterliegenden Höfe, Pawlatschen, Häuser, Gärten, Tennis- und Parkplätze. Untersucht wurden 25 Höfe, elf davon befinden sich auf der westlichen Seite der Herrengasse, 14 davon auf der östlichen Seite.
Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 47: Tennishof. Hinter dem Eingang zur Bibliothek verbergen sich Garagen, streunende Katzen, ein gehobenes Restaurant im Stile eines Country-Clubs und drei Tennisplätze.
Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 23: Buchsbaumauffahrt. Durch das Tor neben den Souvenirladen betreten wir eine spanische Hacienda, die besonders durch ihre Landschaftsarchitektur besticht.
Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 22: Präsidentenhof. In dem Hof hinter Schokoladerie und Touri-Fotoautomat war der Wohnsitz des ehemaligen Präsidenten der Bukowina Prinz Hohenlohe. Fixtermin auf jeder geführten Stadttour.
Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 19: I like Parkplätze. Der Durchgang zum Like Hostel – zwischen Apple Store und Pelzgeschäft – eröffnet den Blick auf eine lieblos gestaltete Betonfläche. Hauptnutzung Parken.
Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 6: Hinterhofsushi. Ein schmaler Schlurf lädt hungrige Mäuler zu Sushi und Bier in die Finsternis.
Die Nutzung und Atmosphäre der Hinterhöfe scheint einem Nord-Süd-Gefälle zu folgen. Der Norden, direkt am Rathaus und Zentralplatz, hat eine stärkere kommerzialisierte Nutzung und ist für Bewohner*innen und Tourist*innen gleichermaßen zugänglich. Richtung Süden werden die Höfe immer privater und vermitteln Außenstehenden das Gefühl ein Eindringling zu sein.
Artefakt #005
PFLASTERSTEIN
Gefunden: Вулиця Ольги Кобилянської Nr. 26; Durchgang zum Hinterhof.
Fotografiert um: 14:34 Uhr
Eckstein, Farbe Terrakotta-Imitat, glatter Bruch, Farbreste an der Ecke, flache und raue Oberfläche.
Die Вулиця Ольги Кобилянської und die Hinterhöfen sind mittels Durchgängen verbunden. Diese Durchgänge sind gepflastert. Die Pflastersteine sind das Verbindungsstück zwischen touristischem Außen und privatem Inneren. Schön, funktional, mit hübschen Mustern, doch trotzdem von Verbrauchsspuren gekennzeichnet. Das Artefakt misst sich weniger am historischen als am Gebrauchswert. Seine einfache, kunstvolle Gestaltung spiegelt das Kunstwollen der neuen Ukraine wider: Kitschig, Terrakotta-farben, aber praktisch und von zweifelhafter Eleganz.
Dass Sprach(politik) ein aktuelles Thema in der Ukraine ist, merkt man auch in der Galerie Bunker. Wir treffen erstmalig unseren Galeristen, dessen Räume wir am Freitag, 24. Mai, als Ausstellung nutzen dürfen. Die russischen Übersetzungen unseres Flyers sorgen erst für Erschrecken, das in Verwunderung und Nachsicht über die Tollpatschigkeit von uns Ausländer*innen übergeht. Am Schluss einigt man sich trotzdem darauf – auch wegen einer Änderung der Eröffnungszeit – neue Flyer zu drucken. Ohne Russisch.
Nach der Besichtigung fahren wir mit einem klapprigen Lada-Taxi zum Hotel zurück. Der Taxifahrer ist sowohl über den ihm gebotenen Preis als auch die übrigen Verkehrsteilnehmer*innen unzufrieden und flucht lautstark. Auf Russisch.
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Lieber Lada, danke für deine Frage. Die Straßen sind gut. Manchmal auch schlecht.
LG Czernowitz.-Team
Bin auch mal in der Ukraine Taxi gefahren. Das ist echt ein Erlebnis. Um die Schlaglöcher werden oft Schweineohren gefahren. Wie sind die Str. so in Czernowitz?